„Horche, mein Sohn, auf die Lehren des Meisters und neige das Ohr deines Herzens“, mit diesen Worten beginnt die Regel des heiligen Benedikt, den wir als den Vater des abendländischen Mönchtums verehren und als Schutzpatron Europas. „Der Liebe zu Christus nichts vorziehen“ schärft Benedikt den Seinen ein und „an Gottes Barmherzigkeit niemals verzweifeln“.
Lange bevor Politiker sich z. B. durch die römischen Verträge zu einer europäischen Gemeinschaft zusammenfanden, haben Mönche in der Tradition des heiligen Benedikt grenzüberschreitend die Grundlagen für ein Miteinander gelegt durch ihre Klostergründungen und die daraus erwachsene Kulturlandschaft. Benediktiner, Zisterzienser und deren verschiedenen Ordenszweige sind zu nennen. Sie alle berufen sich auf den heiligen Benedikt und seine Regel.

Das Fresko befindet sich in einer unscheinbaren kleinen Kirche nahe Trastevere, in S. Benedetto in Piscinola; hier soll Benedikt gelebt haben, bevor er den Weg nach Subiaco und später dann nach Montecassino gegangen ist. Es soll das älteste Fresko des heiligen Benedikt sein.
Dankbar erinnere ich mich daran, dass es ein Benediktiner war, der mir diesen Ort gezeigt hat, mein viel zu früh (1988) verstorbener Freund Archimandrit Prof. Dr. Daniel Gelsi OSB. Er war zu diesem Zeitpunkt Professor am päpstlich liturgischen Institut in San Anselmo, zuständig für die byzantinische Liturgie, für das er in der Abtei vom Heiligen Kreuz in Chevetogne (Belgien) bestens vorbereitet war.
Der emeritierte Papst Benedikt hat mehrfach über seinen Namenspatron gesprochen, z.B. schon bei seiner ersten Generalaudienz im April 2005: „Der Name Benedikt erinnert an die herausragende Gestalt des großen »Patriarchen des abendländischen Mönchtums«, an den heiligen Benedikt von Nursia, der zusammen mit den hl. Cyrill und Methodius Patron von Europa ist. Die zunehmende Ausbreitung des von ihm gegründeten Benediktinerordens hatte großen Einfluss auf die Verbreitung des Christentums in ganz Europa. … Er ist ein grundlegender Bezugspunkt für die Einheit Europas und ein nachdrücklicher Hinweis auf die unverzichtbaren christlichen Wurzeln der europäischen Kultur und Zivilisation“.
Ausführlicher sagte er dann in seiner Generalaudienz am 9. April 2008: „Der hl. Benedikt von Nursia hat durch sein Leben und Werk einen grundlegenden Einfluss auf die Entwicklung der europäischen Zivilisation und Kultur ausgeübt. … An der Wende vom 5. zum 6. Jahrhundert wurde die Welt von einer schrecklichen Krise der Werte und Institutionen erschüttert, die durch den Zusammenbruch des Römischen Reiches, das Eindringen der neuen Völker und den Verfall der Sitten verursacht worden war. … In der Tat erwiesen sich das Werk des Heiligen und in besonderer Weise seine »Regel« als Überbringer eines echten geistlichen Sauerteigs, der im Lauf der Jahrhunderte weit über die Grenzen seiner Heimat und seiner Zeit hinaus das Antlitz Europas veränderte, indem er nach dem Zerfall der politischen Einheit, die durch das Römische Reich geschaffen worden war, eine neue geistliche und kulturelle Einheit hervorbrachte, nämlich jene des christlichen Glaubens, den die Völker des Kontinents teilten. Gerade so entstand die Wirklichkeit, die wir »Europa« nennen. … Als Paul VI. am 24. Oktober 1964 den hl. Benedikt zum Patron Europas erklärte, wollte er damit das wunderbare Werk anerkennen, das von dem Heiligen durch die »Regel« für die Formung der Zivilisation und der europäischen Kultur vollbracht worden ist. Heute ist Europa – das gerade aus einem Jahrhundert gekommen ist, das von zwei Weltkriegen tief verletzt worden ist, und nach dem Zusammenbruch der großen Ideologien, die sich als tragische Utopien erwiesen haben auf der Suche nach seiner Identität. Um eine neue und dauerhafte Einheit zu schaffen, sind die politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Instrumente sicher wichtig, aber es ist auch notwendig, eine ethische und geistliche Erneuerung zu erwecken, die aus den christlichen Wurzeln des Kontinents schöpft; andernfalls kann man Europa nicht wieder aufbauen“.
Wie bedeutsam dies für Europa sein kann, haben wir fast schmerzlich gespürt, als die Grenzen der Pandemie wegen geschlossen wurden, nationale Gedanken scheinbar vor europäischen das Leben bestimmten. Wichtig ist das Erbe des heiligen Benedikt darum nicht nur für die Kirche, sondern auch für die Völker und Staaten Europas.
Papst Franziskus wurde 2016 mit dem Karlspreis ausgezeichnet. Was er bei der Überreichung in Rom sagte, mag ein Zitat aus seiner Rede hier verdeutlichen, auch wenn er den Namen des heiligen Benedikt nicht ausdrücklich erwähnt, ihn sicher aber mitmeinte: „Gott möchte unter den Menschen wohnen, aber das kann er nur mit Männern und Frauen erreichen, die – wie einst die großen Glaubensboten des Kontinents – von ihm angerührt sind und das Evangelium leben, ohne nach etwas anderem zu suchen. Nur eine Kirche, die reich an Zeigen ist, vermag von neuem das reine Wasser des Evangeliums auf die Wurzeln Europas zu geben“.
Da gibt zu denken, was in diesen Tagen aus Brüssel gemeldet wird. Ausgerechnet jetzt wird Europas Einsatz für Religionsfreiheit in der Welt in die zweite Reihe gerückt, sollte die Kommission ihre Entscheidung nicht zurücknehmen. Gudrun Sailer, Redakteurin bei »Vatican News«, kommentiert: „Warum will eine EU, die sich international als Wahrerin der Menschenrechte versteht, ausgerechnet bei einem so fundamentalen Recht wie Religionsfreiheit wegsehen? Europa soll nicht in sich selbst gefangen sein, wozu auch Papst Franziskus dauernd ermahnt. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft wäre gut beraten, in der europäischen Arbeit so zu moderieren, dass die Kommission das Amt des Sonderbeauftragten für Religionsfreiheit nicht streicht, sondern sogar aufwertet“.
Bernhard Auel