17.Sonntag A – 26.7.2020: Wenn Könige beten

Es sind viele Themen, die uns in diesen Monaten beschäftigen. Wie werden wir aus der Pandemie herausgehen? Was wird sich verändern? Werden wir lernen aus dem, was uns seit Monaten zu einem anderen Leben zwingt? „Wie wollen wir leben? Was ist uns wichtig? Und in der Kirche: Wie können wir glauben? Wie wollen wir beten? Wie gestalten wir Kirche? Was sollten wir verändern? Was befördert, was behindert ein vitales Christentum?“ so fragt Julia Knop. Und auch die anderen Themen bleiben doch. Da ist so viel Polarisierung. Die Proteste werden lauter und gehässiger. Sind das die richtigen Wege, die unsere Politiker in dieser Situation beschreiten? Ein weltweites Problem.

Und in der Kirche? Auch da gehen die Meinungen oft weit auseinander. Was ist der richtige Weg? Wie soll der Synodale Weg weitergehen? Muss sich die Kirche ändern? Es kann doch nicht einfach so weitergehen wie bisher.

An all das muss ich denken beim Lesen des Abschnitts aus dem ersten Buch der Könige (3,5.7-12), der für diesen 17. Sonntag im Jahreskreis in der Liturgie als erste Lesung vorgesehen ist. Da ist von einem Regierungswechsel die Rede. Salomo ist keiner, der sich mit seiner Kompetenz, wie man heute sagt, für das Amt empfiehlt. Er tritt die Nachfolge seines Vaters David an, der in langer Regierungszeit Erfahrung sammeln konnte und das Volk mit Umsicht regiert hat. Salomo ahnt die Bürde und die große Verantwortung, die da auf ihn zukommt. Sein Empfinden: das ist einige Nummern zu groß für mich, ich bin noch zu jung, zu unerfahren. Ich weiß nicht, wie ich mich als König verhalten soll.

Was tut Salomo in dieser Situation, in dieser Herausforderung? Er macht eine Wallfahrt, er betet um das, was er als König am meisten braucht: um Weisheit, um Klugheit für die Praxis der Regierung. Um gerecht richten und regieren zu können, braucht er ein feines Gespür für Gut und Böse, eine tiefe Einsicht in das Wesen und den Wert der Menschen und der Dinge. So erbittet er sich ein „hörendes Herz“. Er möchte hellhörig sein für die anstehenden Aufgaben, möchte die Menschen anhören mit ihren Anliegen, möchte hinhören auf die Satzungen und Gebote Gottes.

Das Gebet hat Salomo vor fast dreitausend Jahren gesprochen. Ist solches Beten heute noch ein Thema? Wie nötig wäre es. Am 31. Juli vor 29 Jahren starb plötzlich und unerwartet der damalige König Baudouin von Belgien. Einer seiner vertrauten Begleiter, Kardinal Suenens, berichtet vom Geheimnis seines Lebens, in dem das Gebet eine Schlüsselrolle spielt. Er schreibt: „Das Gebet nahm im Tagesablauf des Königs einen vorrangigen Platz ein und fand gewöhnlich in aller Frühe statt. Doch begab er sich auch in besonderen Fällen nachts zur Kapelle: ‚Es war immer sehr schwer‘, schreibt er, ‚in der Stille und der Dürre des Glaubens Gott zu betrachten‘. Aber er vertraute Gott, der seine Gnadenarbeit auch ohne unser Wissen und ungeachtet unseres Verhaltens vollzieht. … Das Morgengebet bedeutete für den König eine Einstimmung vor Gott auf das Zuhören und die Verfügbarkeit, die es ihm erlaubten, seinen Mitmenschen noch besser zu dienen. Das war seine Audienz beim Herrn, damit Er ihm helfe, denen gegenüber aufmerksam zu sein, denen er im Laufe des Tages begegnen würde“. Eines seiner Gebete erinnert an die demütige Bitte des Salomo.

Baudouin betete:
Lehre mich, Jesus, den Menschen, denen ich begegnen muss, so wie Du es wünschst, ein Zeuge Deiner Liebe zu sein. Aber in der Praxis, Herr, was bedeutet das, an dem Platz, auf dem ich mich befinde?
Wie habe ich mich zu verhalten? Heiliger Geist, ich bitte Dich, weiche keinen Fingerbreit von mir. Sei meine Stärke, meine Weisheit, meine Vorsicht, mein Humor, mein Mut, mein Gesprächsführer.
Ich fühle mich so armselig auf sprachlichem Gebiet, aber ich weiß, dass Du meine Schwäche brauchst, um Deine Macht zu offenbaren.
Gott, verzeih dem Insekt, das ich bin, ein schönes Pferd sein zu wollen. Mache mich demütig. Allmächtiger Gott, lass mich bescheiden sein und glücklich darüber, dass Du mich so klein geschaffen hast.
Du weißt, was am besten für mich ist, damit ich so sei, wie Du es wünschst. Ich glaube Herr, dass ich oft an der Wirklichkeit vorbei träume. Ich denke zu oft an den Auftrag, den Du mir erteilt hast, für den ich geboren bin. Ich vergesse zu oft, dass ich vor allem für Dich da bin, um Dich anzubeten, Dich mit Wohlgefallen zu betrachten, um all diejenigen zu lieben, die Du mir auf den Weg schickst, um sie zu lieben, wie Du sie mit Deiner Liebe geliebt hast.
Ich bitte Dich Jesus, stehe mir bei, auf dass mein Weg stets, in jedem Augenblick, auf Dich gerichtet sei“.

Das Gebet des Salomo und das Zeugnis des gläubigen Betens eines Königs unserer Tage wollen uns zu verstehen geben, worauf es zu allen Zeiten ankommt. Es ist auch heute nicht verkehrt, vor wichtigen Entscheidungen zu beten, zu beten um ein hörendes Herz für die Realitäten unserer Welt, zu beten um ein hörendes Herz für die Menschen, denen wir begegnen, zu beten um ein hörendes Herz für Gott.

Wenn ich in diesem Zusammenhang dann noch einmal auf die Themen dieser Wochen schaue, die uns nicht nur in Deutschland, sondern auch in ganz Europa und in der ganzen Welt beschäftigen, dann tue ich das nicht, um einen womöglich fatalen und fragwürdigen Einfluss der Religionen auf die Tagespolitik zu fordern, wohl aber um daran zu erinnern, dass jeder von uns, sich seiner Verantwortung von Gott stets bewußt sein soll – sei es, dass er an den Hebeln der Macht sitzt, sei es, dass er durch sein Reden oder Schweigen Stimmung macht oder sei es, dass er sich nicht zu Wort meldet, wo Zeugnis gefordert ist.

Als die Väter unseres Grundgesetzes dieses Wort von der Verantwortung vor Gott in die Präambel des Grundgesetzes hineingeschrieben haben, wussten sie genau, warum sie dies taten. Wohin eine Welt ohne Gott führt, das hatten sie nur allzu schmerzlich erfahren und auch erleiden müssen. Wenn wir eine gute Zukunft für die Menschen wollen, sollten wir das nie vergessen.

Aushang in  der Kirche zu Thal bei Graz

Bernhard Auel