14.Sonntag C: Die Schafe müssen den Hirten vorangehn.

Tageslesungen
Jes 66,10-14c | Gal 6,14-18 | Lk 10,1-12.17-20

„Geht! Siehe ich sende Euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.“ (Lk 10,3)

Würden Sie da mitmachen? Würden Sie sich senden lassen als wehrloses Schaf in ein bissiges Wolfsrudel. Nein, danke – da würden wir abwinken und fragen: gibt es vielleicht eine Alternative?

Die gibt es nicht! Die Verse aus dem 10.Kapitel des Lukas-Evangeliums sind so radikal – dass man sie am liebsten mit vielen gutgemeinten Worten entschärfen möchte – und das können wir als Kirche gut, wenn es um die Radikalität der Botschaft Jesu geht.

Stellen wir uns dieser Botschaft:
„72“ sendet Jesu aus – die 12 Apostel reichen für das Projekt nicht aus. „72“ braucht er – eine symbolische Zahl gewiss – 72 bedeutet die Weltbevölkerung in ihrer Gesamtheit und sagt uns, hier geht es nicht nur um die Städte und Ortschaften Palästinas. „72 andere“ – vielleicht waren auch Frauen dabei. Nehmen wir es mal an, denn ohne die Frauen ist das Reich Gottes nicht denkbar.

Zu zweit“ sendet Jesus sie aus – diese „Kleinigkeit“ hat die Kirche bald vergessen. Aus den Zweiergruppen sind sehr schnell Einzelkämpfer geworden bis heute– eingebunden in eine Hierarchie, die immer nur den Einzelnen kennt – drüber oder drunter. Aber Jesus wusste schon, gemeinsam geht es besser. Zu zweit kann man sich stützen und schützen, einander helfen, trösten, gemeinsam Frust abbauen, usw., wenn es um die Verkündigung der Botschaft Jesu geht.

Es geht ihm dabei darum, dass seine zentrale Botschaft verkündet wird: Das Reich Gottes ist nahe! Diese Botschaft ist ihm so wichtig, dass die Jünger sie sogar noch dort hinterlassen sollen, wo man sie ablehnt: „selbst den Staub, der an unseren Füßen klebt, lassen wir zurück; doch das sollt ihr wissen: das Reich Gottes ist Euch nahe.“(Lk 10,11)

Jesus wusste, was er wollte, als er seinen Jüngern empfahl:
Geht arm und ungeschützt zu den Menschen.

  • Vermeidet jeden Verdacht, in die eigene Tasche wirtschaften zu wollen (indem ihr etwa von Haus zu Haus zieht und euch überall das Beste heraussucht).
  • Redet nicht nur vom Gottvertrauen, sondern lebt danach, indem ihr jeden Tag darauf wartet, dass euch das Nötige (das ‚tägliche Brot‘ des Vaterunsers) gegeben wird.
  • Je weniger ihr euch selber und dem Geld dient, desto mehr dient ihr Gott, desto mehr folgen euch die Menschen, desto mehr tragt ihr dazu bei, dass das Gottes Reich auf Erden ankommt.“

Wir spüren, dass er recht hat: unsere Kirche hat zur Zeit eine Glaubwürdigkeitskrise, nicht nur wegen der furchtbaren Missbrauchsfälle. Das Geld steht viel zu oft im Vordergrund kirchlichen Denkens und Handelns, unsere Kirche ist reich. Oft geht es nur um Machterhalt, ums Recht haben und Recht behalten. Das Thema „Frau in der Kirche“ beschäftigt zur Zeit viele. Was können wir tun angesichts des Priestermangels? Was für ein Gewicht hat die Liebe zwischen zwei Menschen, auch wenn es zwei Männer oder zwei Frauen sind? Die Liste der Gründe für die gegenwärtige Situation der Kirche ist lang. Wir brauchen dringend den synodalen Weg, das Gespräch von Bischöfen, Priestern und Laien auf Augenhöhe, das Ringen um die Wege in die Zukunft.

Jesus selbst gibt dafür die Wegweisung: an seiner Botschaft muss sich alles Handeln orientieren: Das Reich Gottes ist nahe!

Doch schon in unserem Evangelium wird klar: der Mensch kann sich weigern, diese Botschaft anzunehmen –aus Angst, Desinteresse oder Misstrauen. Und das erleben wir auch:

Da, wo wir leben am Arbeitsplatz, im Verein, in der Nachbarschaft, in der eigenen Familie, überall. Dort treffen wir mit unserer christlichen Überzeugung auf Gleichgültigkeit und auf Ablehnung. Auf Menschen, die uns zurückweisen. Die nichts davon wissen wollen.

In manchen Situationen braucht es vielleicht ein klares Zeichen der Abgrenzung. Ich schüttle den Staub von meinen Füßen. Mit Dir will ich nichts zu tun haben, nicht mal deinen Dreck will ich haben, um in der Sprache des Evangeliums zu bleiben.

Trotzdem: das Reich Gottes ist nahe. Wir müssen nicht nur frustriert sein, wir können uns weiter bemühen, Frieden zu stiften, Menschen zu heilen in ihrer Traurigkeit, in ihrer Verzweiflung, in ihrem Gefühl, nichts wert zu sein.

Menschen, die so handeln, deren Namen sind im Himmel verzeichnet. Das ist nicht kein Verzeichnis von Fleißkärtchen, die wir am Ende des Lebens vorweisen können. Wer im Himmel verzeichnet ist, der gehört zum Himmel, zu Jesus, zu Gott.

Mit dieser Aussicht lässt sich dann auch aufbrechen – wie Schafe, d.h. wenigstens zu zweit, miteinander, auch unter die Wölfe. Und manchmal müssen die Schafe dabei auch den Hirten vorangehn.

(c) Wilfried Schumacher

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