Der 4. Sonntag in der österlichen Bußzeit hat seinen Namen vom ersten Wort des Introitus „Laetare – Freue dich“. In vielen Gemeinden wird statt des dunkleren, violetten Messgewandes ein helleres, rosafarbenes getragen. Wer sehnt sich nicht nach etwas mehr Freude, nach optimistischen Perspektiven, gerade in einer so bedrängenden Zeit, wie wir sie derzeit durchleben. Nun geht es mir nicht darum, Wege aus der Pandemie zu beschreiben. Ich erinnere an eine Predigt, die Papst Franziskus am Neujahrstag gehalten hat; darin sagte er: „Über den Impfstoff für den Körper hinaus brauchen wir auch einen Impfstoff für das Herz“. Solchen Impfstoff lese ich aus den Texten dieses Sonntags heraus, die ich gelesen habe mit dem Eindruck der Bilder und Ansprachen von der Reise des Papstes in den Irak.
Als Pilger des Friedens – so ein Kommentar – war der Papst in den Irak gereist in der Hoffnung, dass seine Botschaft in die ganze Region des Nahen Ostens ausstrahlt: eine Botschaft von Frieden, Toleranz, Verständigung und geschwisterlicher Solidarität; eine Würdigung der verschiedenen religiösen und ethnischen Traditionen. In Ur in Chaldäa schaute er auf die Anfänge der Religion zurück und begann seine Ansprache wie folgt: „Dieser gesegnete Ort führt uns zurück zu den Anfängen, zu den Quellen des göttlichen Werkes, zum Ursprung unserer Religionen. Auf diesem Platz vor der Wohnstätte unseres Vaters Abraham scheint es, als würden wir nach Hause zurückkehren. Hier hörte er den Ruf Gottes, von hier aus brach er zu einer Reise auf, die die Geschichte verändern sollte. Wir sind die Frucht dieses Rufs und dieser Reise. Gott forderte Abraham auf, zum Himmel hinaufzusehen und die Sterne zu zählen. In diesen Sternen sah er die Verheißung seiner Nachkommenschaft, sah er uns. Und heute ehren wir – Juden, Christen und Muslime – gemeinsam mit den Brüdern und Schwestern anderer Religionen unseren Vater Abraham, indem wir es ihm gleichtun: Wir sehen zum Himmel hinauf und gehen unseren Weg auf Erden“. Wenn heute die Rückkehr der geflüchteten Christen in den Irak – vom dortigen Präsidenten beim Papstbesuch ausdrücklich eingeladen – das Thema ist, so vor zweieinhalbtausend Jahren die Rückkehr des jüdischen Volkes aus dem Exil. Das lerne ich aus den Ansprachen unseres Papstes und aus der ersten Lesung dieses Sonntags, die im 2. Buch der Chronik zu finden ist. Wir müssen immer wieder die Grenzen der eigenen Religion überschreiten. Gott ist der Gott aller Menschen. Lesen wir so die Schlussverse der ersten Lesung: „Im ersten Jahr des Königs Kyrus von Persien sollte sich erfüllen, was der Herr durch Jeremia gesprochen hatte. Darum erweckte der Herr den Geist des Königs Kyrus von Persien und Kyrus ließ in seinem ganzen Reich mündlich und schriftlich den Befehl verkünden: So spricht Kyrus, der König von Persien: Der Herr, der Gott des Himmels, hat mir alle Reiche der Erde verliehen. Er selbst hat mir aufgetragen, ihm in Jerusalem in Juda ein Haus zu bauen. Jeder unter euch, der zu seinem Volk gehört – der Herr, sein Gott, sei mit ihm -, der soll hinaufziehen“.
Es ist nun an uns, ebenso offen, tolerant und solidarisch zu sein, nicht nur mit Worten, sondern durch gottgemäßes Handeln. Dazu sind wir berufen. Gerade in seiner letzten Enzyklika „Fratelli tutti“ betont er dies immer wieder. Wir sollen eine offene Welt denken und schaffen, ein offenes Herz für die ganze Welt haben. Er spricht darin ausdrücklich von politischer Liebe: „Es ist keine pure Utopie, jeden Menschen als Bruder oder Schwester anerkennen zu wollen und eine soziale Freundschaft zu suchen, die alle integriert“. Unermüdlich hat der Papst bei seinen Begegnungen im Irak daran erinnert. Diese Berufung lese ich heraus aus der zweiten Lesung, die dem Epheserbrief entnommen ist. Da heißt es: „Aus Gnade seid ihr durch den Glauben gerettet, nicht aus eigener Kraft – Gott hat es geschenkt. … Seine Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus zu guten Werken erschaffen, die Gott für uns im Voraus bestimmt hat, damit wir mit ihnen unser Leben gestalten“.
Das Evangelium, das bei Johannes im 3. Kapitel nachzulesen ist, betont einen weiteren Aspekt, der uns zuversichtlich stimmen kann, wenn es da heißt: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“. Es macht Mut, denn Gott verurteilt nicht, sein Gericht heißt nicht Verurteilung, sondern Barmherzigkeit. Er richtet auf. Immer wieder hat Papst Franziskus darauf hingewiesen. In Ur sagte er: „Von diesem Quellort des Glaubens aus, vom Haus unseres Vaters Abraham aus bekräftigen wir: Gott ist barmherzig“.
Ja, auch wenn wir eine schwere Zeit durchmachen, wenn uns Trauer bedrückt, im Blick auf Gott ist uns Zukunft und Freude geschenkt. Darum dürfen wir mit dem Eingangsvers an diesem Sonntag singen: „Freue dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart. Freut euch und trinkt euch satt an der Quelle göttlicher Tröstung“.
Bernhard Auel