14.Sonntag A – 5.7.2020: „Demut macht immun“

Der heutige  Sonntag gibt uns ein Thema vor, das einerseits oft vergessen und vernachlässigt, andererseits gerade heute in Zeiten von Unsicherheit und notweniger Rücksichtnahme durchaus aktuell ist, die Demut. Da lesen wir im Evangelium: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seele“ (Mt 11,28f). Und auch in der ersten Lesung aus dem Buch Sacharja begegnet uns dieses Wort, wenn wir da lesen: „Demütig ist er und reitet auf einem Esel“ (9,9).

Bedenken wir, was da gesagt ist. Uns machen doch gerade die politisch Mächtigen Angst, die in dieser Zeit der Pandemie eher Spaltung und Hass als verantwortungsvolles Miteinander und Versöhnung auslösen, oft gegen ihr eigenes Volk handeln. Wie anders das Bild des Königs, von dem etwa das Buch Sacharja spricht. Nicht mit Macht und Glanz wird der Retter Israel, der Messias, kommen. Er ist ein armer, „demütiger“ König. Auf einem Esel reitet er. Wir werden erinnert an den Einzug Jesu in Jerusalem vor seinem Leiden. Von diesem König heißt es, er ist demütig und sanftmütig, gerecht und hilfsbereit. Diese vermeintlich schwachen und sanften Haltungen sind durchaus kraftvoll. „Wenn ich schwach bin, bin ich stark“, sagt einmal der Apostel Paulus. Es geht um die Stärke der Gewaltlosigkeit, um die Stärke, dem anderen viel Raum zu lassen, um die Stärke, Identität nicht durch Abgrenzung zu sichern, sondern bis an die Grenzen der Erde eine universale Identität aller Menschen zu wagen. Papst Franziskus wird nicht müde, genau dies immer wieder anzumahnen. Ein anderer Jesuit sagte schon vor über 300 Jahren. „Mit Demut und Liebe kann man alles erreichen“.

Verstehen wir so Jesu Einladung: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht“. Es geht sicher nicht darum, die Hände in den Schoß zu legen und sich mit allem abzufinden. Das heißt auch nicht, dass wir nichts zum Frieden beitragen könnten. Meine ganz persönliche Überzeugung: Wenn das Menschenbild nicht stimmt, stimmt auch das Gottesbild nicht. Der Friede aber, den wir stiften, ist letztlich Gottes Friede. Wenn dieser Friede in unseren Herzen wach ist, wird er sich auswirken.

Wenn auch schon 1969 erschienen, trifft das, was damals Heinrich Klomps geschrieben hat, genau die immer gültige Botschaft des Evangeliums. Demut dürfe nicht mit bloßer Bescheidenheit, Unterwürfigkeit und Selbstverachtung verwechselt werden, sei vielmehr Wachsamkeit und Dienstbereitschaft. Hier nur einige Sätze aus dem Buch Klomps über die Tugenden: „Demut zeigt sich im Verhalten Gott gegenüber, Demut erweist sich in dem Verhalten dem Nächsten gegenüber. … Die Demut macht den Menschen immun gegenüber eitlem Selbstruhm, Eigenliebe, Selbstlob und Selbstvertrauen. Wer die rechte Demut besitzt, wird nie ganz mit sich selbst zufrieden sein können, er wird vielmehr die eigene Unvollkommenheit umso stärker empfinden, je weiter er voranschreitet“.

Noch weiter zurück schauen wir nicht nur im Bild auf den seligen Charles de Foucauld (1858-1916), dessen Heiligsprechung für das kommende Jahr angekündigt ist. Sein Weg ist geprägt vom verborgenen Leben Jesu in Nazareth. In der Nachfolge Jesu suchte er den letzten Platz. So wurde die Demut der Weg seines Lebens. Er schrieb: „Demütig sein in Gedanken, Worten und Werken. Das Ansehen bei den Menschen weder suchen noch lieben, vielmehr ihre Geringschätzung lieben. Wenn man liebt, ist man demütig; denn man kommt sich klein und nichtig vor neben dem, was man liebt. Wer liebt, ahnt nach, und Jesus war sanften und demütigen Herzens. Die Demut ist der Schmuck aller Tugenden“.

Ein Text von Carlo Carretto, geprägt durch die Schule des Charles de Foucaud, unterstützt das Thema. Papst Franziskus nimmt – ohne den Namen zu nennen – immer wieder darauf Bezug. Vielleicht eine gute zusätzliche Lektüre.

DIE RICHTIGE SEITE
Der Weg ist der Weg Jesu.
Es ist ein Weg, der fast senkrecht abfällt: genau das Gegenteil des Weges, den die Menschen anpreisen.
Wenn Jesus den Menschen sucht, steigt er hinab.
Er steigt hinab in die Inkarnation und wird Knecht. Er steigt hinab in das Abendmahl und wird Brot.
Er steigt hinab zu den Menschen und wird der Letzte.
Der Platz Jesu ist der letzte Platz: Bethlehem, Nazaret, Golgota.
Er wird nicht als Machthaber geboren, er erblickt das Licht der Welt in einem Stall.
Er ist nicht von vermögender Familie, er arbeitet, um sein Brot zu verdienen. Er sucht nicht obenauf zu kommen, er verliert das Leben am Kreuz.
Dies ist die Haltung der Liebe, und sie ist erst zufrieden, wenn sie ganz unten angelangt ist: auf dem letzten Platz.
Charles de Foucauld sagte von Jesus: »Er hat den letzten Platz so sehr gewollt, dass ihn keiner ihm entreißen könnte. Höchstens kann man sich neben ihn setzen. «
Zwischen einem Selbstzufriedenen und einem Armen gibt Jesus dem Armen den Vorzug.
Zwischen einem Gesunden und einem Kranken gibt Jesus dem Kranken den Vorzug.
Zwischen einem Satten und einem Hungrigen gibt Jesus dem Hungrigen den Vorzug.
Daran ist nicht zu zweifeln.
Diese im Evangelium getroffene Vorentscheidung verpflichtet uns und verweist uns auf die richtige Seite: an die Seite dessen, der am niedrigsten ist, am meisten leidet, am meisten an den Rand gedrückt ist; der einen andern am meisten nötig hat.
aus: Carlo Carretto, Denn du bist mein Vater, Freiburg 1975, S. 146f

Foto: Charles de Foucauld, gemalt von Cesco Dessanti
Bernhard Auel