Fastenzeit – die andere Quarantäne

Mit dem Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit. In den alten lateinischen Missalen wird diese Zeit auch Quadragesima genannt (Vierzig-Tage-Zeit). Die Zahl 40 erinnert an die 40 Jahre Wüstenwanderung des Volkes Israel, an die 40 Tage, die Mose vor dem Bundesschluss auf dem Berg Sinai verbrachte, an die 40 Tage Wüstenwanderung des Propheten Elija und an das 40-tägige Fasten Jesu vor seinem öffentlichen Wirken. Von Aschermittwoch bis Ostern kommen 40 Tage zustande, weil Karfreitag und Karsamstag, die zwar auch schon zu den Drei Österlichen Tagen gehören, mitgezählt werden, nicht aber die Sonntage (an ihnen wurde nicht gefastet).

Inhaltlich ist die Vierzig-Tage-Zeit ursprünglich von der Taufvorbereitung der Katechumenen und der Vorbereitung der Büßer auf die Wiederversöhnung bestimmt. Mit beiden Gruppen zeigten sich die Gemeinden durch Fasten, vermehrtes Gebet und Almosen solidarisch. Liturgische Zeichen der „Vierzig Tage“ sind der Verzicht auf Gloria und Halleluja, die violette Farbe und ein Verzicht auf Festlichkeit, etwa in der musikalischen Gestaltung und im Blumenschmuck.

Das im Jahr der Pandemie geläufige Wort Quarantäne für die Bezeichnung einer befristeten Isolation hat etymologisch eine verwandte Bedeutung. Es gelangte im 17. Jahrhundert wie italienisch quarantena aus französisch quarantaine de jours („vierzig Tage“) ins Deutsche. Das französische Wort quarantaine wurde im 12. Jahrhundert von galloromanisch quarranta abgeleitet, das über das Volkslateinische von lateinisch quadraginta („vierzig“) stammt. Mögen manche Aussagen auch heutzutage befremdlich wirken, von vierzigtägiger Abgeschiedenheit lesen wir auch im Buch Levitikus (12,1-8).

Das alles lässt mich die österliche Bußzeit in diesem Jahr „Die andere Quarantäne“ nennen. Sie ist uns von keiner Regierung vorgeschrieben, ist seit Jahrhunderten gelebte Vorbereitungszeit auf Ostern. „Trainingszeit für das, was uns gut tut“, so hat P. Anselm Grün OSB einmal diese Zeit genannt.

Was P. Reinhard Körner OCD aus der Erfahrung des Lockdown schreibt, das ist auch eine gute Empfehlung für die vor uns liegende Zeit der ganz anderen Quarantäne. Er habe wie viele andere die Zeit genutzt, „um wieder einmal gründlich aufzuräumen“. … diese Zeit sei für ihn „zum Bild für die Corona-Situation überhaupt geworden: Aufräumen ist dran, sortieren und entsorgen – und renovieren; auch in der Gesellschaft, in der Kirche“.

Da wird jeder und jede selbst überlegen, was für ihn, für sie jetzt ansteht. Dabei geht es sicher nicht einfach um etwas Fasten, weniger Rauchen, Alkohol oder Süßigkeiten.

Das Bild vom Blick in die Ferne, das ich vor Jahren am Berg Arbel hoch über dem See Gennesaret aufgenommen habe, will den Blick frei machen, auf das, was wichtig ist. Alles Störende einmal beiseite lassen, sich einmal Zeit nehmen z. B. zum Gebet, zur Meditation. Vielleicht so, wie es Papst Franziskus in seiner Botschaft zur Fastenzeit sagt: „Die Fastenzeit dient dazu, den Glauben zu vertiefen beziehungsweise Gott in unser Leben einzulassen und ihm zu erlauben, bei uns „Wohnung zu nehmen“.

Sicher, auch in dieser Zeit werden wir uns an Regeln halten müssen, und wir sollten das ernst nehmen, schon aus Respekt und Solidarität mit allen Menschen um uns herum. Und wenn wir im Blick auf Corona von der AHA-Regel sprechen, möchte ich diese im Blick auf die etwas andere Quarantäne so ergänzen. Abstand halten, davon ist nur einer ausgenommen, wie es unser Papst am letzten Sonntag beim Angelus sagte: „Jesus zeigt uns, dass Gott nicht gleichgültig ist, keinen Sicherheitsabstand einhält. Im Gegenteil: Er nähert sich voller Mitgefühl und berührt unser Leben, um es mit Zärtlichkeit zu heilen“. Hygiene – da denke ich weniger an Händewaschen, eher daran wie wir respektvoller miteinander und übereinander sprechen. Und die Alltagsmaske? Wichtig, was sie nicht sein darf: Verkleidung, Vortäuschung oder Verstecken meiner Person. Die Menschen dürfen erfahren, dass ich Christ bin. Und vor Gott brauche ich keine Maske. So kann diese vor uns liegende Zeit auch eine Zeit der inneren Umkehr werden, des Reinemachen vor Gott. „Vielleicht ist die Pandemie ein starker Ruf zur Umkehr der Lebensgewohnheiten und ein Ruf zur Gottessuche“ (Bischof Peter Kohlgraf). Verstehen wir diese Zeit darum als eine Einladung und Chance für einen zwar anderen, aber ebenso guten Weg aus der Pandemie, weil wir auf den setzen, der unser Leben mit all seinen auch schmerzlich Facetten geteilt hat, auf den, dessen Name Jesu „Gott heilt“ bedeutet.

Bernhard Auel