oder: wenn Jesus in der Ahr getauft wird
Die Weihnachtsbäume leuchten noch. Aber der Glanz der Weihnacht ist dahin.
In alten Kirchen sieht man oft auf dem Triumphbogen rechts und links die Darstellungen zweier Städte: Bethlehem und Jerusalem. Zwischen beiden spannt sich der Bogen. Zwischen beiden liegt eine eigentümliche Spannung.

Bethlehem – wer denkt da nicht an die Weihnachtsgeschichte, an das Kind im Stall, an die Chöre der Engel, die Hirten, die Anbetung durch die Weisen aus dem Morgenland? Der Name der Stadt steht für Geborgenheit und Wärme, Liebe und Freude, für die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes. Jerusalem – andere Bilder drängen sich auf: die: Auseinandersetzungen Jesu mit den Pharisäern und dem Hohen Rat, die Vertreibung der Geschäftemacher aus dem Tempel, der Prozess Jesu, sein Leidensweg, sein Tod am Kreuz. Hektik und Lärm, Gesetze und Norm, Rücksichtslosigkeit und Profitgier, Leid, Schmerz und Tod. Bethlehem wird zum Synonym für das Fest, die Feier im menschlichen Leben, während Jerusalem mehr den Alltag mit seinen Eigengesetzlichkeiten repräsentiert.
Heute beginnt wieder der Weg von Bethlehem nach Jerusalem. Und dabei begleitet uns das Fest der Taufe des Herrn wie ein Proviantpaket für den Weg.
In der Pfarrkirche St.Laurentius in Ahrweiler gibt es eine Malerei der Taufe Jesu. Jesus steht dort in der Ahr – hinter ihm die Kulisse der Stadt mit ihren Stadttoren. Das Bild hat die furchtbare Flutkatastrophe, die auch die Kirche St.Laurentius erreicht hat, überstanden. Für den mittelalterlichen Künstler war klar: der biblische Text von der Taufe Jesu ist keine Geschichte von anno dazumal; das, was wir heute feiern, ist Gegenwart.

Schauen wir auf die Szene am Jordan. Zu Hunderten sind die Menschen gekommen, um sich taufen zu lassen von Johannes, dem großen Prediger der Wüste. Menschen aus wohl ganz unterschiedlichen Gegenden, mit ganz unterschiedlichen Erwartungen und auch Hoffnungen.
Jesus reiht sich ein in die Schar – so, als ob er sagen wollte: Ich bin einer von euch. Ich kenne euch. Ich kenne auch eure Hoffnungen, eure Grenzen, eure Abgründe und eure ganz persönlichen Bitten.
So, als ob er sagen wollte: Ja, ich weiß um eure Gebrechlichkeit.
Ich weiß um das Leid, das oft unaussprechliche und unverschuldete Leid, sei es durch Unterdrückung, durch Ungerechtigkeit oder durch Katastrophen.
Ja, ich weiß, dass eure Gebete eigentlich die oft einzigen Mittel waren und sind, um aus diesem Leid, aus dieser Trauer, oder auch dieser Hoffnungslosigkeit herauszukommen.
Ja, ich weiß, wie oft ihr alle unterwegs seid und Ausschau haltet, nach Gesundheit, nach Heilung, nach Wunder, nach Frieden, Freude und Glück.
Jesus, der Herr, reiht sich ein unter uns Menschen: Ein großartiges Bild der tiefen Solidarität Gottes mit den Menschen. Hier beweist sich, was der Engel dem Josef im Traum gesagt hat: Sein Name wird sein Immanuel – Gott mit uns!
Jesus steigt hinab in die Abgründe der Menschen wie in den Jordan. Da steht er am tiefsten Punkt der Erde. Welch ein Zeichen!
Wir allein kennen die Tiefen unserer Seele, den Ort, wohin wir niemanden mitnehmen. Es gibt nur einen, der mit uns hinabsteigt – nicht um uns zu verurteilen, sondern um mit uns zu sein. Deshalb gilt nicht nur für ihn, was die Stimme aus dem Himmel verkündet, sondern auch für jeden von uns: » Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.«
Unwiderruflich hat Gott das in der Taufe über uns gesagt! Das ist der Proviant für den Lebensweg! Er ist nahrhafter als alle anderen Botschaften, die uns erreichen.
Da sind jene, die uns nichts zutrauen, jene, die uns sagen: Du taugst nichts, du gehst mir auf die Nerven, du bist mir eine Last, du schaffst das nie! Oder: du bist nur etwas wert, wenn Du dieses oder jenes tust, sagst oder leistest.
Nein, es gilt unwiderruflich: Ich bin Gottes geliebter Sohn, Gottes geliebte Tochter.
So dürfen wir heute aufbrechen. Von Bethlehem nach Jerusalem. Mit einem großen Proviant in unserem Lebensrucksack „Ich bin Gottes geliebter Sohn, Gottes geliebte Tochter“.
Das Bild von Jesus in den Fluten der Ahr war für mich immer ein Besonderes. Oft habe ich unter ihm gesessen. Jetzt ein halbes Jahr nach Flut sagt es mir noch deutlicher: Jesus, der „Immanuel“, der Gott-mit-uns, geht mit uns den alltäglichen Weg nach Jerusalem. Er kennt die Strecke gut, denn er ist diesen Weg schon einmal vor uns gegangen.
Noch etwas für die Ohren und für das Herz!
Der Schlußchoral aus dem Weihnachtsoratorium von J.S.Bach: „Nun seid ihr wohl gerochen, an eurer Feinde Schar, denn Christus hat zerbrochen, was euch zuwider war. Tod, Teufel, Sünd und Hölle sind ganz und gar geschwächt, bei Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht.