Tageslesungen
Amos 8,4-7 | 1 Tim 2,1-8 | Lk 16,1-13
Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes. (Lk 16,8b)
Wahrscheinlich hat mancher einer und eine von Ihnen schon einmal einen Kredit aufgenommen, Schulden bei einer Bank gemacht. Was hätten Sie gesagt, wenn der zuständige Mitarbeiter, die Mitarbeiterin der Bank Ihnen nach einiger Zeit ganz einfach die Hälfte der Schuld oder einen Teilbetrag erlassen hätte und Sie aufgefordert hätte, den Kreditvertrag entsprechend zu ändern? Mit Recht hätten Sie sich gewundert.
Das ist kurz gefasst der Sachverhalt dieses Falls von Wirtschaftskriminalität, die Jesus uns im Evangelium erzählt hat. Nicht nur, dass ein Verwalter offenbar durch sträfliche Misswirtschaft seinen Chef schwer schädigt. Er stiftet die Schuldner auch noch zur Urkundenfälschung an. Dabei geht es nicht um Peanuts, um kleine Beträge: Die Menge Öl, die dem ersten Schuldner erlassen wurde, betrug 18 Hektoliter, und durch die Fälschung des Weizen-Schuldscheins gehen seinem Herrn elf Zentner Weizen verloren.
Verrückt – kaum vorstellbar. Ganz verrückt wird die Sache, wenn wir hören, dass Jesus diesen kriminellen Verwalter lobt. Will er uns damit zur Gaunerei anstiften?
Nicht zur Gaunerei – aber zu klugem Handeln. Denn der betrügerische Verwalter war schon ganz klug und gerissen. Indem er sich die Schuldner seines Herrn wahrscheinlich zu Freunden macht, konnte er sich erhoffen, wenigstens bei ihnen Unterstützung zu finden, wenn er gekündigt wird und auf der Straße sitzt.
„Seid klug wie die Schlangen“, heißt es an anderer Stelle im Matthäus-Evangelium (Mt 10,16) und hier eben „Seid klug wie die Kinder dieser Welt“. Klug sein – wobei?
Für Jesus ist die zentrale Frage: „Wie kann das Reich Gottes auf dieser Erde verwirklicht werden“ Wie können seine Jünger, die spricht er nämlich hier an, wie können wir, daran mitwirken?
Unsere Kirche ist im Umbruch. Wir erleben es im Kleinen wie im Großen. Und auch die Welt hat viele Themen und Probleme, bei denen auch das Mitwirken der Christen zur Lösung eingefordert wird: als Beispiel nenne ich nur den Klimawandel und die Migration. Gefragt ist Einfallsreichtum und Erfindungsgabe. Die Bibel sagt uns, wohin der Weg gehen muss: Bewahrung der Schöpfung, Gerechtigkeit, Nächstenliebe. Aber konkrete Handlungsanweisungen, wie wir vorgehen müssen, finden wir da nicht.
Die Nachfolge Jesu geschieht immer unter den konkreten sozialen Voraussetzungen und gesellschaftlichen Bedingungen – und die ändern sich im Laufe der Zeit. Nachfolge Jesu muss deshalb immer klug, kreativ und innovativ sein. Da können wir zu den Kindern dieser Welt hinüberschauen – auch zu deren Wissenschaften -, um Lösungen zu finden.
Das ist für mich der eine Aspekt dieses Evangeliums. Es gibt aber noch einen anderen: für mich leuchtet im Verhalten des klugen Verwalters auch das Lebensbeispiel Jesu auf.
So gesehen, wäre dann Gott der „Herr“ in der Geschichte, und Jesus „sein Verwalter“.
Unmittelbar vor dieser Stelle im Lukas-Evangelium steht die Geschichte, die wir letzten Sonntag gehört haben. Vielleicht erinnern Sie sich. – Die Empörung der Pharisäer und Schriftgelehrten über Jesu Verhalten war groß: Unmöglich, wie der die Gnade Gottes an Zöllner und Sünder verschleudert. So wie der Vater seine Zuneigung an den Sohn verschenkt, der in der Fremde das Erbe durchgebracht hat und reumütig nach Hause zurückkehrt
Jesus tut genau das, was ihm seine Kritiker vorwerfen: Er verschleudert in seinem Handeln den Reichtum Gottes.
Einen Unterschied gibt es noch: die Schulden werden nicht nur erlassen. Paulus schreibt: „Gott hat den Schuldschein, der gegen uns sprach, zerrissen und seine Forderungen, die uns anklagten, aufgehoben. Er hat ihn dadurch getilgt, dass er ihn an das Kreuz geheftet hat.“ (Kol 2,14)
Wie viele unserer Zeitgenossen, vielleicht sogar wir selbst, leben in der Angst, sie könnten in ihrem Leben Gott nicht genügen? Wie viele meinen, mit frommen Übungen und Öpferchen Gott zu gefallen, damit der Schuldschein einmal zerissen werden wird. Aber: der Schuldschein ist zerrissen! Ein für allemal.
Unser Leben ist nicht die Voraussetzung dafür, dass der Schuldsein zerrissen wird, sondern die Konsequenz, weil er zerrissen ist. Freuen wir uns: der Schuldschein ist zerrissen. Das schafft Raum zum Leben!
(c) Wilfried Schumacher