
Gott will, dass Ihr ein Segen für seine Erde seid
Vor 20 Jahren habe ich ein Abendmahlsbild gesehen, das so ganz anders war als die bekanntesten Darstellungen, in erster Linie das berühmte Abendmahl von Leonardo da Vinci. Auf diesem Abendmahlsbild sah der Betrachter nur unter den Tisch. Man sah nur die Füße der Jünger.
Als ich vor einigen Wochen wegen Beschwerden am Fuß beim Orthopäden war, sagte er zu mir: „Ihre Füße erzählen von ihrem Leben“. Er hat Recht, unsere Füße tragen die Spuren des Alters, der Wege, die wir schon zurückgelegt haben. Könnten sie erzählen, dann wüssten sie von schönen Strecken und beschwerlichen Etappen.
Wie beweglich doch ein Fuß ist,
wir kennen den leichten und federnden Schritt, wenn etwas Schönes bevorsteht
und den harten und schweren Gang, wenn der Mensch viel auf den Schultern trägt.
Füße tragen uns voran und die Füße geben uns Stand.
Zu Beginn des Abendmahls kniet Jesus nieder, um den Jüngern die Füße zu waschen, um ihnen einen wichtigen Dienst zu erweisen. Aber damit nicht genug. „Füße waschen“ gehört seit jener Stunde zum Auftrag des Christen: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ (Joh 13,15)
Was bedeutet das für uns heute?
Die Füße erzählen vom Leben des Menschen. Füße waschen heißt: das Leben waschen. Nicht nur den Füßen zugetan sein, sondern dem ganzen Menschen. Und dabei unten anzufangen. Fußwaschung ist nicht der Ort der Konzepte, der durchdachten Vorstellungen. Fußwaschung ist die schlichte Geste, das einfache Tun. Das Füreinander-Dasein, die Solidarität, die Hilfe.
Sie sagt uns: Seid bereit, einander zu dienen ohne zu fragen: Was krieg ich dafür? Seid bereit, für einander da zu sein, sich für einander einzusetzen.
Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung.
– so beginnt das Evangelium der Fußwaschung, so beginnen im vierten Hochgebet der Messe auch die Worte der Wandlung. Fußwaschung und Eucharistie – Da scheint es also einen Zusammenhang zu geben – und zwar nicht nur zeitlicher Natur, weil es am gleichen Abend geschieht.
„Das ist mein Leib für Euch!“, sagt der Herr. (1 Kor 11,24) – das ist Hingabe. Papst Franziskus lässt nicht nach darin, uns immer zu erinnern: „Die Eucharistie ist […] nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen.“ (EG 47)
Die Kommunion ist nicht etwas nur für mich. Sie ist Zeichen der unübertroffenen Zuwendung Gottes, der will, dass wir uns ihn einverleiben, aber nicht nur für uns und zu unserem Heil. Unser Leben muss ein Echo seiner Liebe und Hingabe werden.
Fußwaschung und Eucharistie, beides ist verbunden mit der Aufforderung des Herrn „Tut dies, zu meinem Gedächtnis!“ Und „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.“ Der Abend des Gründonnerstags erschöpft sich nicht in Endzeitstimmung. Die Stunde des Abendmahls ist die Stunde des Auftrags und des Aufbruchs.
Es geht in diesen Tagen nicht darum, an einem Theaterstück der letzten Stunden im Leben des Jesus von Nazareth teilzunehmen. Es geht darum, zu erkennen, was die alte Botschaft für uns heute bedeutet und weshalb wir sie jedes Jahr neu erzählen.
Vertraut den neuen Wegen – beginnt ein Kirchenlied. Darin heißt es in der 2.Strophe: „Gott will, dass ihr ein Segen für seine Erde seid“
Was Jesus an jenem denkwürdigen Gründonnerstag getan hat, weist genau in diese Richtung. Er stellt uns die Fragen: Willst Du ein Segen für seine Erde sein?
Der Herr lädt uns ein, am Tisch des Reiches Gottes Platz zu nehmen. Wir können dort nicht bleiben. Unsere gewaschenen Füße müssen uns zu den Menschen tragen.